Warum reisen Menschen? Was macht die Faszination des Reisens aus – und warum ist es ein gutes Gegengewicht zu so ziemlich allem? Eine Kolumne.
Die Frage aller Fragen: Warum reisen Menschen?
Nach vielen Reisen mit ihrem Partner und mit Freunden ist unsere Autorin mal wieder alleine unterwegs gewesen – und hat nach ein paar Tagen tiefen Frieden gefunden. Das hat sie zum Anlass genommen sich zu fragen: Warum reisen Menschen überhaupt, was macht Reisen mit uns und was können wir daraus für eine bessere Welt ziehen?
Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit. (Mark Twain)
Betty
„Was Reisen für mich so besonders macht? Nicht nur die schönen Orte dieser Welt, sondern vor allem die Menschen, die dort leben und die spannendsten & bewegendsten Geschichten auf Lager haben."
Betty, FairAway Redaktion
Fünf Wochen Workation in Mexiko – ich bin mit viel Vorfreude in diese Reise gestartet, aber nicht im besten Zustand. Ich war angespannt, hatte den Kopf voll, konnte für eine lange Zeit nicht gut schlafen und fühle mich insgesamt obwohl ich es so liebe nicht bereit dafür, alleine unterwegs zu sein. Mir war nicht danach, ganz viel auf Menschen zuzugehen. Vielmehr war mir nach Rückzug, schlafen, alleine sein.
Die bunte Welt des Reisens öffnet sich
Auftritt: Die Magie des Reisens
Aber dann geschah es: Die Magie des Reisens kam einfach um die Ecke und hat alles verändert. Es fing langsam an mit ein paar Gesprächen auf Spanisch, mit einem alten Mann, den ich nach dem Weg gefragt habe, einem Taxifahrer, einem Kellner. Nach letzterer Begegnung hatte ich zugegebenermaßen eine Lebensmittelvergiftung, aber der spanische Dialog ging auf Instagram weiter und hat mir zwischen ins Bad rennen und Schüttelfrost sehr geholfen. Und als ich und mein Magen bereit waren, mein Zimmerchen zu verlassen, hatte ich auch genug vom Rückzug und wollte rein ins pralle Leben.
Steigst Du nicht auf die Berge, so siehst Du auch nicht in die Ferne. – Sprichwort aus China
Happy sehr weit außerhalb der Komfortzone
Raus aus der Komfortzone
Also habe ich meine Schüchternheit überwunden, mein Herz geöffnet – und innerhalb kürzester Zeit eine neue temporäre Familie gefunden. Mit Menschen aus aller Welt, die ich normalerweise wahrscheinlich nie getroffen hätte. Aber in diesen Momenten zusammen waren alle Unterschiede egal, sie waren vielmehr eine riesige Bereicherung, und wir waren alle so glücklich, uns an diesem Ort zufällig getroffen zu haben. Immer wieder reiste jemand ab, jemand neues kam dazu, auch ich habe mehrmals den Ort gewechselt, aber nichts hat sich verändert.
Was ist Reisen? Ein Ortswechsel? Keineswegs! Beim Reisen wechselt man seine Meinungen und Vorurteile. – Anatole France
Warum macht Reisen den Unterschied?
Warum passiert sowas beim Reisen und nicht ständig zu Hause, fragte ich mich. Und je länger ich darüber nachdachte, desto klarer konnte ich es sehen. Denn Reisen holt uns raus aus unserer gewohnten Umgebung, rein in die Ungewissheit, ins Abenteuer. Wir hinterfragen nicht so viel wie im „richtigen“ Leben, wir sind entspannter und haben Abstand vom Alltag. Und wir sind begierig, über den Tellerrand hinauszuschauen und etwas zu lernen.
Und natürlich lernen wir am meisten von Menschen, die nicht sind wie wir! Ob es andere Reisende sind oder Menschen vor Ort, deren Traditionen, Wertevorstellungen und Lebenswelten wir kennenlernen dürfen, es ist einfach so eine Bereicherung. Und auch wenn wir manche Sachen nicht adaptieren würden, so ist es doch unglaublich spannend und ein echtes Privileg, einen Einblick zu bekommen, oder? Und deswegen finde ich es so schön, nicht nur im Hotel am Pool zu liegen, sondern rauszugehen, mit Menschen zu sprechen, lokale Aktivitäten auszuprobieren, sich einfach auf Land und Leute einzulassen.
Die besten Entdeckungsreisen macht man, indem man die Welt mit anderen Augen betrachtet. – Marcel Proust
Gemeinsame Momente beim Reisen schaffen
Ein bisschen Frieden
Wenn ich daran denke, was gerade in der Welt los ist – da sind zum einen sehr präsente Dinge wie der Ukraine- oder der Israel-Gaza-Krieg, aber auch andere unzählige dramatische Brandherde, die wenig in den Medien stattfinden – möchte ich am liebsten dieses Gefühl der Akzeptanz und der Liebe in die Welt herausschreien. Das mag naiv klingen – mir ist bewusst, dass die meisten dieser Konflikte extrem komplex sind und eine lange Historie haben, Dinge, die man nicht mit ein bisschen Urlaubsfeeling lösen kann. Und natürlich haben extrem viele Menschen auf der Welt überhaupt keinen Zugang zum Reisen, wie wir es kennen. Und doch kann es zu mehr Frieden beitragen.
Das Reisen lehrt Toleranz. – Benjamin Disraeli
Was hat diese Begegnung mit Weltfrieden zu tun?
Warum reisen Menschen? Weil es Berge versetzen kann
Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Reisen und vor allem das, was währenddessen und danach in uns passiert, Berge versetzen kann. Und dass dieses Gefühl vor allem auch ohne Reisen Menschen begleiten kann und in den Alltag überschwappt. Das Gefühl, ein offenes Herz für andere zu haben, wohlwollend auf Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören, Liebe und Vertrauen als Vorschuss zu geben, auf die Haben-Seite zu schauen und von anderen lernen zu wollen.
Oder um es mit Robert Habecks Worten in seiner Rede zur Eröffnung der ITB zu sagen: „Es gibt eigentlich kein besseres Gegenwicht gegen den Krieg als den Tourismus“
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben. – Alexander von Humboldt
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