Wieso ist Kreislaufwirtschaft im Tourismus absolut sinnvoll – und wie können solche Kreisläufe aussehen?
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Ist nachhaltiger Tourismus möglich? Glaubt man dem, was über die Branche berichtet wird, sieht es düster aus. Reisende hinterlassen viel Müll, die Weltmeere sind gefährdet und Fliegen ist sowieso das Allerschlimmste. Stimmt alles, und dennoch birgt die Tourismusindustrie richtig gute Chancen, einen positiven Impact zu leisten und Reisen nach und nach für Länder, Natur und Menschen nachhaltig zu gestalten. Wie das aussehen kann und teilweise schon umgesetzt wird, wollen wir inspiriert von Jeremy Smiths Buch „Transforming Travel“ vorstellen und reflektieren – mit der Überzeugung, dass Reisen die Welt positiv verändern kann!
Betty
„Was Reisen für mich so besonders macht? Nicht nur die schönen Orte dieser Welt, sondern vor allem die Menschen, die dort leben und die spannendsten & bewegendsten Geschichten auf Lager haben."
Betty, FairAway Redaktion
Besser reisen: Nachhaltigkeit & Kreisläufe im Tourismus
Status Quo: Wie sieht Tourismus 2019 aus?
Damit Tourismus nachhaltig sein kann, muss die Industrie von der momentanen Verwertungslogik wegkommen. Der Massentourismus bringt mit sich, dass Urlauber oft nur für wenige Tage in ein Land kommen, es „wegkonsumieren“, wieder gehen und ihren Müll zurücklassen – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenden Sinne.
- Abfälle bleiben in der Natur zurück
- Lokale Strukturen werden angegriffen und Bedingungen für Einheimische verschlechtert
- Armut resultiert
- Frauen werden benachteiligt; es gibt allgemein große soziale Ungleichheiten
- Die Konkurrenz der im Tourismus tätigen Locals wächst
- Touristen feilschen selbst in sehr günstigen Ländern um jeden Cent
- Essen wird verschwendet
- Städte platzen aus ihren Nähten
- Flora und Fauna werden zerstört, zum Beispiel durch Abholzung oder Rücksichtslosigkeit
- Orte werden zu sehr belastet und dadurch kaputtgemacht
Mit den Folgen all dieser Entwicklungen haben viele Länder rund um die Uhr zu kämpfen – und in der Konsequenz nach und nach unsere ganze Erde.
Wie findet die Industrie das?
Da die Tourismusindustrie stetig expandiert – aktuell reisen 1,8 Billionen Menschen jährlich – und Reisen immer erschwinglicher wird, ist es höchste Zeit zu handeln und künftig verantwortungsbewusst zu wachsen. Doch oft scheint Wandel mit Verzicht verbunden: Weniger fliegen, weniger Müll, weniger Touristen. Und mehr Kosten. Klingt natürlich alles nicht attraktiv für Leute, die an Tourismus verdienen wollen. Deswegen ist umdenken angesagt: Anstatt es als Opfer zu sehen, Veränderungen anzustoßen, sollte es als Chance und Bereicherung begriffen werden.
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Circular Economy: Im Kreis denken
Was also tun? Anstatt nur zu nehmen, müssen Kreisläufe entstehen – sowohl was Produkte und Ressourcen als auch menschliche Beziehungen betrifft. Das kann zum Beispiel durch Recycling stattfinden, aber auch durch ein Geben und Nehmen zwischen Reisenden und Locals. Verantwortliche – vom Hotel über den Tourguide bis hin zum Reiseblogger – und Reisende sind dazu angehalten, innovativ über den Tellerrand hinaus zu denken. Menschen sehen Urlaub oft als die Zeit im Jahr, in der sie zu sich finden und Veränderungen für sich anstoßen können. Wieso also nicht direkt auf der Reise damit anfangen? Ausgehend davon schauen wir uns an, an welchen Schrauben gedreht werden kann.
Recycling, Rewards und Rethinking in Hotels
Hotels sind ein wichtiger Player bei der Transformation des Tourismus. Denn: Jede Produktentscheidung macht einen Unterschied. Was wäre zum Beispiel, wenn ein Hotel Energie produzieren würde? Wasser sammeln statt verbrauchen würde? Sich selbst kühlen könnte? Wenn die Form sich perfekt in die Natur einfügen würde? Die Ausstattung komplett recycelt und recycelbar wäre? Klingt erstmal nach viel Veränderung und Zukunftsmusik, aber es gibt durchaus schon Unterkünfte, die teilweise so verfahren. Zum Beispiel so:
- Müll wird recycelt und in Produkte, die das Hotel wiederverwendet, umgewandelt – sowohl für Deko als auch für Gebrauchsgegenstände.
- Wenn Gäste ihre Handtücher wiederverwenden, gibt es eine Belohnung, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Der Hinweis, man soll es wie zu Hause machen, bestärkt das noch, denn wer wechselt schon täglich seine Handtücher?
- Hotels arbeiten mit den lokalen Farmern zusammen, sodass ausschließlich lokale Produkte verwendet werden – oder bauen selber Gemüse an.
- Buffets werden vermieden bzw. das, was draufkommt, reduziert.
- Gäste werden motiviert zu spenden, zum Beispiel für die gesunde Ernährung für Kinder.
- Es wird nur ethisch korrektes Essen serviert, die Vielfalt von Gemüse und Co. explizit rausgestellt und Nahrungsmittel, die bald ablaufen, aktiv beworben.
- Fahrräder werden umsonst bereitgestellt.
- Hotels sorgen für die Beseitigung von Müll in der gesamten Nachbarschaft.
- In die Leute, die im Hotel arbeiten, wird investiert in Form von Traineeships, das wird offiziell an Kunden kommuniziert, damit diese geduldiger sind; Kosten für Unterkunft, Essen etc. werden übernommen.
- Geflüchtete, Menschen mit Behinderungen und andere, die es schwer haben, Jobs zu finden, werden eingestellt.
Vom Reiseziel zum Ort
Das Wort „Reiseziel“ impliziert, dass man dort nur zu Gast ist und wieder geht. Das entspricht ja auch den Tatsachen – doch begreift man die Ziele eher als Orte des (nicht dauerhaften) Zusammenlebens, an denen Kulturen sich treffen, Austausch stattfindet und alle voneinander profitieren und lernen, bekommt Tourismus einen ganz neuen Anstrich. Natürlich funktioniert das nicht, wenn Massen das Land geradezu überrollen – wie es zum Beispiel bei Landausflügen auf Kreuzfahrten passiert –, weswegen theoretisch eine Regulierung der Gästezahlen stattfinden müsste. Alternativ macht es Sinn, in Gegenden zu reisen, in denen der Massentourismus noch nicht angekommen ist. Damit das Konzept funktioniert, können zum Beispiel gemeinsame Projekte wie Urban Gardening geschaffen werden und gemeinsam geerntet und gekocht werden. Und man sollte zusammen daran arbeiten, dass die Orte nicht überlastet werden – zum Beispiel durch Einrichtung von verkehrsfreien Zonen und konsequente Müllvermeidung. Tallinn oder Llublijana sind hier ein gutes Beispiel: Die Innenstadt ist autofrei, der öffentliche Nahverkehr subventioniert. Toll für Reisende, toll für die Locals, toll für die Natur.
Kreuzfahrtschiffe – eine Gefahr für Mensch & Natur
Voneinander lernen & einzigartige Erfahrungen schaffen
Begreift man ein Reiseziel als einen Ort der Begegnung und des Zusammenlebens, bieten sich zum Beispiel auch ganz alternative Touren an. Anstatt die Sehenswürdigkeiten abzuklappern, werden persönliche Lieblingsorte der lokalen Guides gezeigt. Oder die Geschichte der Sehenswürdigkeiten wird von anderer Seite aufgezogen – was musste zum Beispiel für das Wahrzeichen Sydneys, das Opernhaus, weichen, damit es gebaut worden konnte? Toll sind auch Touren mit zwei Guides mit unterschiedlichen Blickwinkeln, zum Beispiel einem, der in der Gegend aufgewachsen ist und einem, der aus einem anderen Land eingewandert ist. So ist ein viel umfassenderer und auch spannenderer Blick möglich! Mittlerweile gibt es gerade in Städten sehr viele alternative Touren: mit sozialem Fokus, mit kreativem Fokus, mit queerem Fokus. Aufpassen solltest du bei ungeschönten Touren, zum Beispiel bei Touren durch Favelas oder Townships, dass kein Zoo-Gefühl entsteht. Mach keine Fotos, achte darauf, dass der Anbieter mit kleinen Gruppen unterwegs ist und dass Bewohner die Touren durchführen. Und respektiere die Menschen, die dort leben.
An dieser Stelle auch ein Appell: Mach doch auch mal in deiner Heimatstadt Urlaub und lass dir deine Stadt, deine Nachbarschaft durch die Augen von jemand außerhalb deiner Bubble erklären. In jeder Hinsicht eine Bereicherung – und bei deiner nächsten Reise kannst du im Austausch mit Locals deines Reiseziels viel differenzierte Einblicke weitergeben.
Den Einfluss von Social Media nutzen
Heutzutage findet die Reiseplanung bei über 60 Prozent der Menschen im Internet statt. Dementsprechend groß ist der Informationsfluss geworden, der Reisende erreicht. Fluch und Segen zugleich: Kanäle können genutzt werden, um tolle Ideen für nachhaltiges Reisen zu entwickeln und zu verbreiten, auf besondere Projekte aufmerksam zu machen. Gleichzeitig kann breit gestreut werden, was nicht gemacht werden sollte, und damit auch Druck auf die Reiseindustrie ausgeübt werden – zum Beispiel auf Organisationen, nicht artgerechte Tiererlebnisse anbieten. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Touri-Hot-Spots durch Bewertungen noch extra gepusht werden, während kleine, versteckte Restaurants das Nachsehen haben. Oder aber sie entwickeln sich zum Magneten für Touristen und verlieren ihren Charme. Vorsicht ist auch geboten beim sogenannten Greenwashing, das über die sozialen Netzwerke viel leichter zu betreiben ist: Nicht jeder, der sich nachhaltig nennt, ist es auch. Als Orientierung helfen Siegel, die offiziell bestätigen, dass ein Tourismusunternehmen wirklich nachhaltig ist.
Die Krux mit dem Fliegen
Das große Problem beim Reisen ist das Fliegen – hier scheint es unmöglich, einen Kreislauf zu etablieren, durch den die CO2-Emissionen drastisch reduziert oder zumindest komplett ausgeglichen wird. Letzteres ist über Atmosfair möglich, mit denen auch wir von Fairaway zusammenarbeiten – jeder Reisende, der über uns eine Fernreise bucht, bekommt den dabei verursachten CO2-Ausstoß ausgeglichen. Doch das löst das Problem natürlich nicht, dass immer noch viel zu viel CO2 durch die Luft schwirrt.
Ein weiteres Problem: Wenn Fliegen irgendwann wieder sehr teuer wird, zum Beispiel aufgrund von Steuern, löst das das Problem nur teilweise: Zwar würde dann vermutlich weniger geflogen, weil es sich viele Leute einfach nicht leisten könnten, aber damit würde Reisen zum Luxusgut werden. Was es schon jetzt ist – tatsächlich sind 2017 nur 10 Prozent der Weltbevölkerung überhaupt in Urlaub geflogen. Dennoch ist der Ansatz, dass die Menschen, die es sich nicht leisten können zu fliegen, durch teurere Flüge bestraft würden, ein fragwürdiges Argument der Luftfahrtbranche. Denn diese belohnt Menschen, die extrem viel fliegen, zum Beispiel durch das Meilenmodell. Wieso kann hier also nicht ein Ausgleich geschaffen werden, zum Beispiel, indem die Meilen für nachhaltige Zwecke eingelöst werden? Auch Lösungen wie dass Hotels oder Reiseveranstalter grundsätzlich Mehrkosten fürs Fliegen übernehmen, scheinen nicht beliebt zu sein. Grundsätzlich gilt: Hier ist ein Richtungswechsel der Politik vonnöten – alleine durch Wohltätigkeit der Akteure am Markt und der Reisenden wird das Problem nicht gelöst werden. Dass nur zwei Prozent der internationalen Touristen das Schienennetz nutzen, also Zug fahren, ist ebenfalls eine Zahl, die zur Zeit nicht viel hoffen lässt. Eine weitere Verantwortung, das Netz dementsprechend aufzubauen, die der Politik obliegt.
Fazit & Ausblick: Was braucht eine funktionierende Circular Economy?
Was ist denn nun die Lösung? Die eine Lösung für das Nachhaltigkeitsproblem beim Reisen gibt es nicht, aber wenn alle Akteure ihr Bestmögliches geben, geht es auf jeden Fall in die richtige Richtung. Manche Dinge lassen sich vergleichsweise einfach umsetzen:
- Müllvermeidung durch Upcycling
- Locals mehr einbinden
- Alternative Touren in Städten anbieten
- Gemeinschaftsprojekte anstoßen
- Beliebte Orte entlasten
Bei anderen Problemen wie dem Fliegen ist es nicht ganz so einfach. Hier müsste ein extremes Umdenken stattfinden, und selbst dann würde das CO2 in der Luft sich nicht einfach in dieselbe auflösen.
Fest steht: Die ultimative Lösung für alle Probleme ist auch nicht, dass Leute weniger reisen. Orte für Begegnungen sind nur fruchtbar, wenn der Austausch wirklich unterschiedliche Perspektiven beinhaltet. Dabei stellt sich die Frage – wenn nicht mal zwei Milliarden der knapp acht Milliarden Menschen weltweit überhaupt reisen kann, wie viele Lebensrealitäten treffen dann überhaupt aufeinander? Alle sprechen von Overtourism, was auf viele Destinationen auch zutrifft, aber ist es nicht vielmehr auch ein Undertourism, den wir erleben? Reisen ist schlecht verteilt, Reisen wird zu unreflektiert betrieben. Aber es wird nicht zu viel gereist, sondern eher zu wenig. Anders reisen ist das Stichwort – so, dass die Schönheit der Orte erhalten bleibt, dass mehr Leute vom Tourismus profitieren, dass mehr gelernt wird, mehr Verständnis hergestellt wird. Kreativität, Neugier und Mut sind der Schlüssel.
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