Reisen um jeden Preis? Bitte nicht: Urlaub auf Kosten anderer geht gar nicht, findet unsere Kolumnistin.
Es gibt seit langer Zeit endlich mal wieder Anlass zu Freude und Optimismus: Die Inzidenz in Deutschland ist einstellig, das Auswärtige Amt hat fast sämtliche Reisewarnungen aufgehoben und die Sommerferien stehen vor der Tür. Wenn das kein Grund ist endlich mal wieder eine Reise zu buchen, dachte sich unsere Kollegin Betty – und hat das zum Anlass genommen, das Reiseverhalten der Post-Corona-Erholungssuchenden unter die Lupe zu nehmen.
Betty
„Was Reisen für mich so besonders macht? Nicht nur die schönen Orte dieser Welt, sondern vor allem die Menschen, die dort leben und die spannendsten & bewegendsten Geschichten auf Lager haben."
Betty, FairAway Redaktion
Fernweh ahoi
Nach der Entscheidung endlich wieder zu reisen fing ich erstmal wild an zu googeln. Und was mir da begegnete, lässt sich ziemlich kurz zusammenfassen: Zu viel von allem für zu wenig Geld. Ganz weit fliegen und dann im All-inclusive-Bunker am Pool liegen. Eine kleine Prise „Exotik“, aber bitte auch nicht allzu anders als zu Hause.
Dazu eine kleine Anekdote, die mir vor ein paar Jahren in Kolumbien in einer kleinen Familienpension passiert ist: Ich genoss gerade meine hausgemachten Empanadas, da schrie es plötzlich hinter mir: „Ich möchte aber ein Schnitzel zum Mittag!” Hans am Tisch nebenan war sichtlich erbost. Es stellte sich schnell heraus, wieso: Er fand sich statt im All-Inclusive-Bunker, bei dem pro Tag mindestens 300 Schnitzel am Buffet (und 150 halb aufgegessene danach im Müll) landen, plötzlich im Homestay wieder – ein Fehler im System bei der Buchung. Nachdem Jorge, der geduldige Gastgeber ihm diverse „Cervezas” versprochen hatte, ließ er sich dazu herab, Fritanga zu bestellen. Und saß bald fröhlich mampfend, pichelnd und ins Gespräch mit Jorge vertieft da. Zwei Wochen später gab es eine hervorragende Bewertung bei Google für die Pension, und Hans wurde, wie Jorge mir zwei Jahre später berichtete, Stammgast.
Gutes Stichwort – ich schweife ab, zurück zu Google. Google schlug mir also einen 0815-Urlaub ganz wie er im Buche steht vor, bei dem ein Blick über den Tellerrand so gar nicht auf dem Reiseplan zu finden ist. Ich war richtiggehend empört: Was fällt dem Algorithmus ein?! Bin ich etwa als „Hans“ kategorisiert, als Pauschalurlauber, der sich morgens um 6 mit dem Handtuch die Liege am Pool reserviert, für einen Kurztrip nach Paris fliegt und empört ist, wenn jemand es wagt, sein Schwäbisch nicht zu verstehen? Ich kann mir schon vorstellen, dass viele Menschen gerade nach dem letzten Jahr einfach nur raus wollen, möglichst unkompliziert und günstig – Kurzarbeit und vielleicht sogar Jobverlust haben für finanzielle Einbußen gesorgt, der Stressfaktor war dauerhaft hoch. Aber rechtfertigt das, es sich im Urlaub so leicht zu machen – auf Kosten anderer?
Wie bitte, auf Kosten anderer?
Ja, und es tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber der typische „Urlaub von der Stange“ geht leider in den meisten Fällen auf Kosten anderer. Nämlich auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Und auf Kosten der Umwelt, der Natur, der Tiere. Unterstützt werden oft internationale Hotelketten, die sich mit günstigen Preisen übertrumpfen und deren Einnahmen nicht im Reiseland bleiben. Und Reiseveranstalter, die weder die lokale Bevölkerung einbinden noch Menschenrechte einhalten. Menschenmassen werden an immer dieselben Orte gekarrt, die darunter leiden – Stichwort Overtourism. Tiere werden zur Unterhaltung von Touristen unwürdig gehalten und behandelt, Hauptsache, die Kasse klingelt. Menschen fliegen quer über die Ozeane, um in der Karibik mit einem Kreuzfahrtschiff abzulegen. Diese Liste lässt sich endlos fortführen.
Das bringt mich zu der Frage:
Machst du noch Urlaub – oder reist du schon?
Um den Unterschied zu verdeutlichen, frage ich dich:
- Hörst du dir im Touri-Bus langweilige Fakten zu Sehenswürdigkeiten vom Tonband an – oder erfährst du lieber von den Locals, was sie und andere Menschen im Land wirklich beschäftigt?
- Beschwerst du dich noch, dass nicht alles so ist wie zu Hause – oder plauderst du schon mit deinem Gastgeber über faszinierende Bräuche und Traditionen (und übst dich dabei auch in Selbstironie, was das klischeehafte deutsche Reiseverhalten betrifft)?
- Liegst du noch eng an eng mit Sardinenbüchsen-Feeling am überfüllten Touri-Strand – oder badest du schon unterm einsamen Wasserfall?
Auch diese Liste lässt sich endlos fortführen. Wahrscheinlich fällt die Wahl gar nicht so schwer, wenn man das so liest. Aber gleichzeitig ist es dann oft die eigene Bequemlichkeit, die einen doch auf den Button zum Pauschalurlaubs-Glück drücken lässt.
Triff die bessere Entscheidung
Natürlich soll ein Urlaub nicht in Stress ausarten. Und es liegt mir fern, die Moralkeule zu schwingen und pauschal ein schlechtes Gewissen zu machen. Gerade weil ich bei einem nachhaltigen Reiseveranstalter arbeite und auf das Thema sensibilisiert bin. Es geht hier nicht darum, Urlauber anzuklagen – aber warte, eigentlich schon. Denn jede Person ist auch dafür verantwortlich, welche Konsequenzen die eigenen Entscheidungen haben. Manchmal reichen schöne Worte eben nicht, sondern es muss klipp und klar gesagt werden, dass einige Entscheidungen besser sind als andere. Und eine Reise, die als Luxusprodukt des globalen Nordens angesehen werden kann, da kann jede:r von uns andere Entscheidungen treffen.
Zusammen etwas bewegen
Am Ende des Tages ist eine Reise, die für alle Win-win ist, ein Gemeinschaftsprodukt. Anstatt dass um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Verluste drauflos gereist wird, teilen sich Reiseveranstalter, Reisende und die lokale Bevölkerung hier die Verantwortung. Das sage ich als Reisende, aber auch als Mitarbeiterin bei einem Reiseveranstalter.
Ich sehe das so: WIR schaffen eine gerechte Grundvoraussetzung und geben dir Tipps für faires Reisen. DU bist auf deiner Reise offen, respektvoll, achtsam und neugierig. ZUSAMMEN machen wir die Welt schöner und fairer.
Bist du dabei? Macht du noch Urlaub – oder reist du schon?
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